Leitlinien für die Kinder- und Jugendhospizarbeit


Die Leitlinien sollen einen Handlungskorridor für kinderhospizliche Praxis eröffnen, in dem diese ihre Praxis evaluieren, reflektieren und weiterentwickeln kann. Zu-dem bieten sie den professionellen und ehrenamtlichen Akteurinnen und Akteuren in der Kinderhospizarbeit Orientierung für ihr tägliches Tun.

Die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die mit fortschreitenden Erkrankungen leben und die als primäre Nutzer und Subjekte der Kinder- und Jugendhospizarbeit anzusehen sind, stehen im Zentrum des Bemühens um die Qualität der Begleitangebote.

Ihre individuelle Lebensqualität in äußerst unter-schiedlichen Lebenssituationen, die neben krankheitsspezifischen Belastungen auch umfassende Lebensfülle und intensiven Lebensgenuss bedeutet, ist und bleibt der Maßstab für die Kinder- und Jugendhospizarbeit.

Die folgenden 33 Leitlinien sollen deutlich machen, wo die inhaltlichen Schwer-punkte der Kinder- und Jugendhospizarbeit liegen bzw. liegen sollten.


Programmatische Qualität

  1. Gute Kinderhospizarbeit ist Unterstützungsressource für Familie vom Zeitpunkt der Diagnose einer lebensverkürzenden Erkrankung an über den Tod des Kindes hinaus.
  2. Gute Kinderhospizarbeit bezieht sich auf alle Phasen der Sterbe- und Trauerbegleitung (vorausgehende, begleitende und nachgehende Trauer).
  3. Gute Kinderhospizarbeit berücksichtigt sämtliche Dimensionen von Diversität (z.B. Gender, Religion, Ethnie).
  4. Gute Kinderhospizarbeit fördert und leistet einen aktiven Beitrag zu gesellschaftlicher Teilhabe und Inklusion lebensverkürzend erkrankter Kin-der und Jugendlicher und ihrer Familien durch sozialräumliche Öffnung.
  5. Gute Kinderhospizarbeit beruht auf einer theoretisch-konzeptionell be-gründeten Verankerung ihrer Angebote.
  6. Gute Kinderhospizarbeit bietet eine flächen- und bedarfsdeckende Versorgung durch ambulante Kinder- und Jugendhospizdienste und stationäre Kinder- und Jugendhospize.
  7. Gute Kinderhospizarbeit beteiligt sich aktiv an den gesellschaftlichen Diskurs über das Verhältnis von Ehrenamtlichkeit und Professionalität.
  8. Gute Kinderhospizarbeit beruht auf einer reflektierten ethischen Grundhaltung, die im kinderhospizlichen Alltag gelebt wird.
  9. Gute Kinderhospizarbeit professionalisiert sich durch einen kontinuierlichen Austausch von Erfahrungswissen und wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Organisatorische Qualität

  1. Gute Kinderhospizarbeit leistet Öffentlichkeitsarbeit und bietet Informationen über die gesamte Bandbreite der Angebote stationärer und ambulanter Kinderhospizarbeit.
  2. Gute Kinderhospizarbeit leistet Prozesse der interkulturellen Öffnung und unterstützt die Entwicklung interkultureller Kompetenzen aller Akteurinnen und Akteure.
  3. Gute Kinderhospizarbeit bietet durch Barrierefreiheit Möglichkeiten zu selbstbestimmten Handeln für Menschen mit unterschiedlichsten Beeinträchtigungen.
  4. Gute Kinderhospizarbeit ist Bestandteil eines interdisziplinären Netzwerkes der für die Lebenssituationen von lebensverkürzend erkrankten Kindern und Jugendlichen und ihren Familien relevanten Institutionen.
  5. Gute Kinderhospizarbeit ermöglicht die gleichgeschlechtliche Begleitung beider Geschlechter.
  6. Gute Kinderhospizarbeit bietet Familien die Möglichkeit, Kinderhospizangebote ohne zeitliche Begrenzung nutzen zu können.
  7. Gute Kinderhospizarbeit zeichnet sich durch multidisziplinäre Teams aus.
  8. Gute Kinderhospizarbeit bietet mitarbeiterfreundliche Arbeits- und Organisationsbedingungen, zu denen auch adäquate Angebote zur Reflexion der berufsbedingten Problem- und Belastungssituationen, Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie trägerübergreifende Vernetzungsmöglichkeiten gehören (Ehren- und Hauptamtliche).
  9. Gute Kinderhospizarbeit bietet den Ehrenamtlichen eine Balance zwischen einer subjektiv als sinnvoll erachteten Tätigkeit und den dafür gelei-steten Aufwendungen.
  10. Gute Kinderhospizarbeit lebt im Bezug auf alle Akteure und Akteurinnen und in sämtlichen Institutionen eine kritik- und fehlerfreundliche Kultur.
  11. Gute Kinderhospizarbeit gewährleistet eine kontinuierliche Begleitung der Familien durch ehrenamtliche und professionelle Kräfte. Für den ambulanten Bereich bedeutet dies die Begleitung durch ein Tandem von Ehren-amtlichen. Für den stationären Bereich bedeutet dies die konsequente Umsetzung des Bezugspflegesystems.

Professionelle Qualität

  1. Gute Kinderhospizarbeit beinhaltet, dass Mitarbeitende aller Professionen in der Lage sind, thanatale Aspekte mit allen Familienmitgliedern bedürfnisorientiert, flexibel und unter Einsatz verschiedener Methoden zu thematisieren.
  2. Gute Kinderhospizarbeit berät und informiert Familien über alle für sie relevanten Möglichkeiten der Unterstützung durch das Hilfesystem.
  3. Gute Kinderhospizarbeit bietet bedürfnisorientierte pädagogischtherapeutische Angebote sowie Begegnungsangebote für erkrankte Kinder und Jugendliche und ihre Geschwister durch qualifiziertes Fachpersonal.
  4. Gute Kinderhospizarbeit ermöglicht progredient erkrankten Jugendlichen eine entwicklungsadäquate Ablösung in der Phase der Adoleszenz.
  5. Gute Kinderhospizarbeit zeichnet sich durch die Professionalität der Mitarbeitenden aus, die aus fachlichen und persönlich-emotionalen Kompetenzen im Sinne eines Kinderhospizkompetenzprofils besteht.
  6. Gute Kinderhospizarbeit gewährleistet eine hohe Qualität der Familienbegleitungen durch standardisierte Befähigungskurse für Ehrenamtliche.
  7. Gute Kinderhospizarbeit setzt die kontinuierliche, selbstreflexive Auseinandersetzung der Mitarbeitenden mit der eigenen Sterblichkeit voraus.

Interaktionale Qualität

  1. Gute Kinderhospizarbeit bedeutet uneingeschränkte Akzeptanz des elterlichen Expertentums.
  2. Gute Kinderhospizarbeit bietet allen Familienmitgliedern Orte des Rückzugs, der Entspannung, Entlastung und Erholung.
  3. Gute Kinderhospizarbeit bietet lebensverkürzend erkrankten Kindern und Jugendlichen eine bedürfnisorientierte und gendersensible (Palliativ-) Pflege, für die ausreichende zeitliche Ressourcen der Pflegekräfte bereit-gestellt werden.
  4. Gute Kinderhospizarbeit bietet Geschwistern eine vielfältige, entwicklungsadäquate und gendersensible Begleitung, für die ausreichende zeitliche Ressourcen der Fachkräfte bereitgestellt werden.
  5. Gute Kinderhospizarbeit gewährleistet schwerstbehinderten, progredient erkrankten Kindern und Jugendlichen ritualisierte Kontinuität in der Pflege auf personeller und räumlicher Ebene.
  6. Gute Kinderhospizarbeit ermöglicht und fördert den gleichberechtigten Austausch der Betroffenen aller Altersgruppen untereinander im Sinn des Empowerments.